Forschung zur Schulgeschichte

Kaum jemand denkt bei dem Wort Schulgeschichte an spannende Erzählungen. Für die meisten Menschen ist die Geschichte einer Schule zu klein, zu unbedeutend oder einfach wenig interessant im Vergleich zur großen Geschichte. Selbst professionelle Historiker nehmen die Schulgeschichte kaum wahr und widmen sich lieber anderen Themen, mit denen sie mehr Menschen zu erreichen glauben. Dabei gibt es viele Gründe, warum es sich lohnt, sich mit Schulgeschichte zu beschäftigen.
- Viele Schulen in Deutschland sind sehr alt und haben daher auch eine lange und wechselhafte Geschichte, die sich zu erforschen lohnt.
- Schulen sind ein Spiegel der Gesellschaft. Viele gesellschaftliche Entwicklungen und Konflikte zeigen sich ganz besonders in der Schule und sind auch in Quellen gut überliefert.
- Schulen sind kaum erforscht und bergen noch viele Geheimnisse. Das liegt insbesondere an den vielen verschiedenen Menschen, die an eine Schule kommen, dort bleiben und Spuren hinterlassen.
Der folgende Text ist zum einen Ergebnis der Recherchearbeit von Herrn Mittenzwei im Bundesarchiv, in dem er auf eine dicke Akte des Reformrealgymnasiums Weißensee stieß. Darin fanden sich neben vielen Verwaltungsinformationen auch Berichte über handfeste politische Konflikte im Lehrerkollegium, die es bis in die Berliner Tageszeitungen schafften; auch zur Umbenennung der Schule während des Nationalsozialismus. Zum anderen existiert bereits seit 2010 anlässlich des 100. Geburtstages des Reformrealgymnasiums Weißensee eine hauptsächlich von Frau Kirchner verfasste Broschüre, die sich auf Zeitzeug*innenberichte und eine Vielzahl von Dokumenten stützt, u.a. Protokolle der Sitzungen an der Schule, Berichte an die Bezirksverwaltung und den Magistrat.
Weiterhin erforschte die Geschichts-AG unter Leitung von Herrn Mittenzwei weiteres Quellenmaterial wie z.B. Schulaufsätze und wie es dazu kam, dass 1926 ein gehörloser Schüler - als erster überhaupt in Deutschland - an unserer Schule Abitur machen konnte und was dieser Schüler mit der Erfindung des Fernsehens zu tun hat.
Die Präsentation der Resultate auf den folgenden Seiten ist alles andere vollständig, sondern „work in progress”. Viele zentrale Aspekte zur Geschichte der Schule während der DDR fehlen noch und werden nach und nach ergänzt.
Leider bezieht sich das Folgende fast ausschließlich auf die Geschichte des heutigen Hauses B, resultierend aus der viel besseren Quellenlage, die wiederum vermutlich darauf zurückzuführen ist, dass das Haus in der Bildungslandschaft Weißensees als Schule für Jungen eine größere Rolle spielte, erkennbar auch an der teuren und besonderen Architektur des bedeutenden Stadtplaners Carl James Bühring. Das weitaus weniger opulente und als Mädchen-Lyzeum geplante Haus A stammt aus dem Jahr 1927, einer Zeit, in der die öffentlichen Kassen erheblich leerer waren. Zudem darf unterstellt werden, dass der Bildung von Frauen weniger Aufmerksamkeit zuteil wurde. Auch wenn die geschlechtergetrennte Erziehung in der DDR ein Ende fand, so wurde automatisch das Haus B zur renommierteren Erweiterten Oberschule erklärt, inklusive der Möglichkeit, das Abitur abzulegen, was im Haus A nicht möglich war.
Mehr lesen:
Forschung zur Schulgeschichte
- Die Anfänge des Weißenseer Reform-Realgymnasiums im Kaiserreich
- Die Zeit der Weimarer Republik: Aufbruch in die Moderne
- Die NS-Zeit: Ideologisierung des Schulalltags
- Der Umbruch nach 1945 und die Etablierung der sozialistisch geprägten Schule in der DDR
- Die Nachwendezeit und Fusion



